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Titel
Max IV./I. Joseph. Letzter Kurfürst, erster König


Autor(en)
Weigand, Katharina
Reihe
Kleine Bayerische Biografien
Erschienen
Anzahl Seiten
168 S.
Preis
€ 16,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Maximilian Vissers, Gymnasium München-Nord

Wer Bayern regieren möchte, muss Gegensätze vereinen: Bayern und Berlin, Thron und Altar, Laptop und Lederhosen. Tradition und Moderne sind im Freistaat auch heute keine Gegensätze, sondern Bedingungsfaktoren von Herrschaft. Dies erkannte bereits „der gute Vater Max“, als Maximilian IV. Joseph ab 1799 Bayerns letzter Kurfürst und als Maximilian I. Joseph seit 1806 erster König. Unter seiner 26-jährigen Regierung änderte sich das Angesicht der bayerischen Monarchie derart grundlegend, dass in der Landesgeschichtsschreibung seit langem von einer „entscheidenden Zäsur“1 die Rede ist. Auf der anderen Seite verstand er, traditionelle Institutionen wie den Hof zu bewahren, indem er sie reformierte. Die Münchner Historikerin Katharina Weigand widmete ihm nun eine Biografie.

In ihrer Einleitung stellt Weigand berechtigterweise fest, dass „das wissenschaftliche Interesse an den bayerischen Königen […] ungleich verteilt“ (S. 7) sei. Tatsächlich liegt die letzte Biografie Max Josephs einige Jahrzehnte zurück: Sie erschien 1957 und stammte aus der Feder des landeshistorisch versierten Prinzen Adalbert von Bayern.2 In der Folge verlagerte sich in der Landesgeschichtsschreibung das Interesse weg von der Herrschafts- hin zur Sozial- und Strukturgeschichte. Für Bayerns ersten König bedeutete dies, dass er zunehmend zum gekrönten Anhängsel seines leitenden Ministers Maximilian Grafen von Montgelas degradiert wurde.3 Auch das Haus der bayerischen Geschichte erkannte dem König im Rahmen seiner Landesausstellung 2015 „Napoleon und Bayern“ eher eine Neben- denn eine Hauptrolle zu.4 Erst in den letzten Jahren findet in der Forschung eine Neubewertung der Monarchien des 19. Jahrhunderts statt, wobei dem Berliner Akademieprojekt „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchien am preußischen Beispiel 1786 bis 1918“ eine Leuchtturmfunktion zukommen dürfte.5

Katharina Weigand gliedert ihre „kleine Biografie ganz konventionell“ (S. 8), indem sie den Lebensetappen ihres Protagonisten folgt: beginnend mit seiner Jugend als „Zweitgeborener eines Zweitgeborenen“ (S. 9) über die kurze Phase als Herzog von Zweibrücken (1795–1799) bis hin zu seiner Zeit als Kurfürst (1799–1806) und König (1806–1825). Sie erhebt dabei nicht den Anspruch, die ausstehende moderne wissenschaftliche Biografie Max’ I. Joseph zu schreiben. Bei ihren Ausführungen stützt sie sich auf das Werk des Prinzen Adalbert, dem sie ihre Zitate und Charakteristiken entnimmt. In Gestalt kleiner Infokästen liefert sie dem landeshistorisch nicht beschlagenen Leser Kontextwissen.

Die Zielgruppe ist mehr ein breites, interessiertes Publikum, weniger die Fachwelt. Und diesem bringt Katharina Weigand das Leben des ersten bayerischen Königs durchaus näher: Geboren 1756 als zweiter Sohn des nachgeborenen Pfalzgrafen Friedrich Michael war Max Joseph nicht zum Herrschen bestimmt. Den Kurfürstenhut brachten ihm das Erlöschen zweier Wittelsbacher Linien und der Tod seines älteren Bruders Karl August; die Königskrone erhielt er zwar nicht von Napoleon aufgesetzt, der mit dem Korsen einhergehende gesamteuropäische Umbruch begünstigte ihren Erhalt jedoch. Als Max Joseph die Regierung in München antrat, stand das Land kurz vor dem Bankrott. Die ständige Finanznot war die Antriebsfeder für umfassende Reformen, deren Grundlinien ihm Montgelas bereits 1795 in seinem berühmten Ansbacher Memoire dargelegt hatte.

Der sich gerne als erster Diener seines Staates inszenierende Max Joseph begann schon am Tag seines Regierungsantritts, am 16. Februar 1799, mit dem Umbau der Ministerien und der Verwaltung gemäß aufklärerischen Prinzipien. Bald folgten die Armee, das Schul- sowie das Armenwesen. Widerstand regte sich, als die Regierung seit 1802/1803 die Säkularisation von Kirchen- und Klosterbesitz befahl. Außerdem setzte Max Joseph, der zwei Ehen mit evangelischen Prinzessinnen einging, sich persönlich für die Gleichstellung evangelischer Christen ein, die im Zuge der Mediatisierung fränkischer und schwäbischer Gebiete unter bayerische Hoheit gelangt waren. Die erste protestantische Gemeinde Münchens ging etwa aus dem Betsaal seiner zweiten Ehefrau Caroline hervor. Max Joseph hatte ihr im Ehevertrag von 1795 einen lutherische Seelsorger zugesagt. Aus Überzeugung förderte der König die Übernahme protestantischer Beamter und Offiziere in den bayerischen Staats- und Militärdienst. Die prestigeträchtigen Hofämter blieben ihnen hingegen verwehrt.

Das 1805 im Bogenhausener Vertrag besiegelte Bündnis mit Napoleon bescherte Bayern nicht nur die Königswürde, sondern auch dauerhafte territoriale Zugewinne in Franken und Schwaben sowie – zumindest auf dem Papier – die staatliche Souveränität. Letztere zu erhalten war das vordergründige Ziel des Königs, der sich 1806 genauso zähneknirschend dem Rheinbund wie 1815 dem Deutschen Bund unterordnete. Als einer der ersten Monarchen innerhalb der Föderation erließ Max I. Joseph 1818 eine Verfassung, deren Rücknahme er sich gemäß monarchischen Prinzip zwar vorbehielt, die jedoch, was die Repräsentation aller Staatsbürger im Zweikammersystem sowie die verbrieften bürgerlichen Rechte anging, zu den fortschrittlichsten ihrer Zeit gehörte. Als Max Joseph am 12. Oktober 1825 im Alter von 69 Jahren verstarb, trauerten die Menschen in Bayern aufrichtig um einen Monarchen, der sie mit väterlicher Ruhe durch stürmische Umbruchsjahre geführt hatte. Von der Beliebtheit des Königs zeugen bis heute zahlreiche Denkmäler und Statuen im gesamten Freistaat Bayern sowie im Gebiet der ehemaligen bayerischen Rheinpfalz (vgl. die Aufstellung, S. 142–146).

Katharina Weigand bemüht sich, wann immer möglich, die Rolle des Monarchen innerhalb der Reformpolitik herauszustreichen und dessen Persönlichkeit kenntlich zu machen. Dabei stützt sie sich auf zeitgenössische Aussagen wie diejenigen des für seine spitze Feder bekannten Ritters von Lang oder die des Grafen von Platen. So hielt Max Joseph nach Aussage der Autorin, die hier unmittelbar Weis und mittelbar Platen zustimmt, wenig von „strenger Etikette“ (S. 73) am Hof und bemühte sich um die Nähe zu seinem Volk. Dabei übersieht Weigand allerdings, dass die vermeintliche Bürgerlichkeit des Monarchen nur bedingt als Charaktereigenschaft denn vielmehr als Produkt gezielter Inszenierung gelesen werden sollte, wie schon Monika Wienfort in ihrer Dissertation „Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft“ herausarbeitete.6 Max I. Joseph war ein moderner Monarch, der sich der Bedeutung seiner Außenwirkung bewusst war.

Eine künftige wissenschaftliche Biografie sollte ihren Fokus stärker auf Max Josephs tatsächliches Regierungshandeln legen als zeitgenössische Aussagen über das Wesen des Königs ungefiltert zu übernehmen. Wenn Weigand den königlichen Willen behandelt, dann meist nur spekulativ: „Man kann davon ausgehen, dass Max Joseph nicht gewillt war, die Außenpolitik ganz allein seinem dafür zuständigen Minister Maximilian von Montgelas zu überlassen“ (S. 61). Entgegen ihrem Anspruch, den König ein Stück weit aus dem Schatten seines Ministers herauszurücken, bestätigt Katharina Weigand das gängige Max-Joseph-Bild und weiß ihm wenig hinzuzufügen. Für eine erste Annäherung an die bayerische Monarchie in der Umbruchszeit um 1800 genügt das schmale Bändchen Weigands schon aufgrund seiner auf Verständlichkeit ausgelegten Schreibweise aber allemal.

Anmerkungen:
1 Eberhard Weis, Hof und Hofgesellschaft unter König Max I., in: Karl Möckl (Hrsg.), Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, Boppard am Rhein 1990, S. 79–92, hier S. 79.
2 Vgl. Adalbert Prinz von Bayern, Max I. Joseph. Pfalzgraf, Kurfürst und König, München 1957.
3 Einen entscheidenden Einfluss übte dabei die zweibändige Montgelas-Biografie von Eberhard Weis aus: Eberhard Weis, Montgelas. Eine Biographie 1759–1838. Durchgesehene und ergänzte einbändige Sonderausgabe, München 2008.
4 Siehe dazu Margot Hamm / Günther Müchler (Hrsg.), Napoleon und Bayern. Katalog zur bayerischen Landesausstellung 2015. Bayerisches Armeemuseum, Neues Schloss Ingolstadt, 30. April bis 31. Oktober 2015, Darmstadt 2015. Außerdem die populärwissenschaftliche Arbeit von Thomas Schuler: „Wir sind auf einem Vulkan“. Napoleon und Bayern, München 2015.
5 Siehe dazu die Projektübersicht unter https://www.bbaw.de/forschung/anpassungsstrategien-der-spaeten-mitteleuropaeischen-monarchie-am-preussischen-beispiel-1786-bis-1918 (18.10.2023). Weiterhin den Sammelband von Bärbel Holtz / Wolfgang Neugebauer / Monika Wienfort (Hrsg.), Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786-1918), Paderborn 2023.
6 Vgl. Monika Wienfort, Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft. Deutschland und England von 1640 bis 1848, Göttingen 1993, hier vor allem S. 169–204.

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